Grundschulschießungen im Saarland

Positionspapier der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Landesverband Saarland
 

Die saarländische Landesregierung beabsichtigt ab dem Schuljahr 2005/06 80 Grundschulen von insgesamt 269 Grundschulen im Saarland zu schließen. Begründet wird diese „Schulstrukturmaßnahme“ mit der prekären Haushaltslage und der demografischen Entwicklung. Um die Schulschließungen rechtlich vollziehen zu können, muss der Gesetzgeber den Paragrafen 9, Absatz 2 des Saarländischen Schulordnungsgesetzes ändern.

Die bisherige Vorschrift, wonach ein geordneter Schulbetrieb an Grundschulen mit „wenigstens einer Klasse je Klassenstufe“ gewährleistet ist, soll ersetzt werden durch „wenigstens zwei Klassen je Klassenstufe“, d.h. in Zukunft müssen alle Grundschulen mindestens zweizügig sein, um einen Bestand zu haben.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnt die Schließung einzügiger Grundschulen ab. Die Pläne der Landesregierung führen zu einem Kahlschlag in der Grundschullandschaft des Saarlandes und gegen auf Kosten der Bildungsqualität der Schülerinnen und Schüler.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine Novellierung des Schulordnungsgesetzes in § 9, wonach „Grundschulen mit vier aufsteigenden Klassen geführt werden können und in jeder Klassenstufe wenigstens 13 Schülerinnen und Schüler vorhanden sind.“ Können diese Vorgaben nicht erfüllt werden, sollen auch „jahrgangsübergreifende“ Klassen gebildet werden. Das von der Initiative „Rettet die Grundschulen“ hierzu eingeleitete Volkbegehren wird von der GEW Saarland unterstützt.

Zur Begründung im Einzelnen:

Vor der Wahl – Nach der Wahl

  1. Durch das Vorgehen der Landesregierung sind die Wählerinnen und Wähler getäuscht worden. Bereits vor der Wahl im September 2004 waren Haushaltsnotlage und demografische Entwicklung bekannt. Erst nach der Wahl werden die Pläne über die Schulschließungsmaßnahmen öffentlich gemacht.
    In einer Pressemitteilung aus dem MBKW vom 31.08.2004 heißt es unter der Überschrift „Schülerrückgang: Kultusminister Jürgen Schreier wirft SPD; Grünen und GEW vor, die Eltern im Saarland bewusst zu verunsichern, indem sie Angst vor Schulschließungen verbreiten. Konkrete Schulschließungen lägen im Gegensatz zu Falschbehauptungen von SPD, Grünen und GEW nicht vor, sagte der Minister“.


    Einsparung von Lehrerstellen
     

  2. Die Grundschulschließungen sind Sparmaßnahmen auf Kosten einer Schulform, die es in diesem Umfang im Saarland noch nicht gegeben hat. Bis zum Abschluss der Schließungsaktion in drei Jahren fallen bis zu 400 Lehrerstellen weg, die zur Qualitätsverbesserung im Grundschulbereich dringend gebraucht werden. Bereits in den vergangenen vier Jahren hat die Grundschule 250 Planstellen durch Verlagerung an andere Schulformen verloren. Obwohl im kommenden Schuljahr etwa 120 Ruhestandsversetzungen von Lehrkräften im Grundschulbereich anstehen, müssen in Zukunft junge Lehramtsabsolventen damit rechnen, im Saarland schlechtere Berufsaussichten zu haben als in anderen Bundesländern. Während im vergangenen Jahr noch 80 Neueinstellungen vorgenommen wurden, werden zum Schuljahr 2005/06 höchstens noch halb so viele Lehramtsanwärter/innen ein Stellenangebot bekommen. Bereits jetzt wirken sich die angekündigten Schulschließungen negativ auf das Berufswahlverhalten junger Grundschullehrkräfte im Saarland aus. Insgesamt 50 Personen sind schon nach Semesterabschluss im Februar 2005 in andere Bundesländer mit besseren Berufsperspektiven abgewandert. Durch eine Politik der Stellenstreichung im Schulbereich wird das Saarland zunehmend unattraktiv für den Lehrernachwuchs, den wir dringend brauchen.

    Ohnehin hat das Saarland – gemeinsam mit Bremen – die im Durchschnitt ältesten Lehrerinnen und Lehrer Deutschlands. Bereits heute werden Grundschullehrkräfte in der ersten Phase (Studium) nicht mehr im Saarland ausgebildet. Durch den Abbau der Grundschullehrerstellen und entsprechenden Abwanderungstendenzen junger Lehramtsstudierenden ist mittelfristig auch der Bestand des Studienseminars, in dem die Grundschullehramtsanwärter/innen im Saarland ausgebildet werden, gefährdet.


    Höhere Belastung der Lehrkräfte
     

  3. Die Grundschulschließungen führen zu einer höheren Belastung des Lehrpersonals und zu Einsparungen im Bereich der Rektoren- und Konrektorenstellen. Durch die Zusammenlegung von Schulen entstehen neben größeren Klassen auch erweiterte Dienststellen und Verwaltungseinheiten, gegebenenfalls auch Dependancen, die in organisatorischer und pädagogisch - didaktischer Hinsicht (Nutzung von Funktionsräumen, Auslagerung von Klassen, Lehrerwechsel zwischen Standorten) Mehrarbeit verursachen. Zudem erfordert die „Neuordnung der Grundschullandschaft“ eine Fülle von Personalmaßnahmen (Versetzungen, Abordnungen), die sich nachteilig auf die Arbeitssituation der Betroffenen auswirken.

    Die Einrichtung von Dependancen kann von der GEW nur als Notlösung vor Aufgabe eines ganzen Schulgebäudes angesehen werden unter der Voraussetzung, dass eine Schule mit zwei Standorten auch ausreichende Deputate erhält, um den besonderen Anforderungen eines Doppelstandortes gerecht zu werden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass Dependancen jederzeit auf Anweisung des Kultusministers geschlossen werden können. Das heißt, die Einrichtung von Dependancen beinhaltet perspektivisch ebenso die Einstellung des Unterrichtsbetriebes am jeweiligen Standort.


    „Qualitätsverbesserung“: Größere Klassen
     

  4. Die Grundschulschließungen führen in jedem Fall zu größeren Klassen und längeren Schulwegen. Denn nur durch die Zusammenlegung von Klassen lassen sich die erwünschten Spareffekte erzielen. Zu diesem Zweck hat die Landesregierung bereits vor zwei Jahren den Klassenteiler an den Grundschulen von 27 auf 29 Schülerinnen und Schüler heraufgesetzt. Ohne diese Erhöhung könnten heute mehr als die Hälfte aller von der Schließung bedrohten Grundschulen erhalten bleiben, bei einer Absenkung des Klassenteilers auf 25 sogar zwei Drittel. Die jetzigen Schulschließungen sind also von langer Hand vorbereitet und haben mit Qualitätsverbesserungen – wie von Kultusminister Jürgen Schreier behauptet - nichts zu tun.


    IGLU – Test: Grundschulen sind leistungsfähig
     

  5. Die Zusammenlegung von Klassen erschwert das individuelle Lehren und Lernen in heterogenen Lerngruppen. Gerade in der Grundschule ist es wichtig, in überschaubaren Lerngruppen soziales und fachliches Lernen miteinander zu verbinden. Die Behauptung des Kultusministers, dass die Klassengröße für den Lernerfolg nicht maßgeblich sei, wobei er sich noch auf PISA und das Bundesland Bayern als Vorbild bezieht, ist sachlich falsch. Sie zeugt von Unkenntnis der wissenschaftlichen Ergebnisse und ist weit entfernt von der Schulpraxis. Erstens hat die Klassengröße stets einen Einfluss darauf, wie intensiv sich ein Lehrer/eine Lehrerin um einzelne Schüler/innen kümmern kann. Zweitens leiden nachweislich langsamer lernende Kinder und Migrantenkinder unter großen Klassen stärker als andere. Zum Dritten beziehen sich die PISA Ergebnisse auf die Leistungen von 15- jährigen Schülerinnen und Schülern und nicht auf die Grundschule. Beim internationalen Grundschultest IGLU haben die deutschen Grundschulen, also auch die saarländischen, gut abgeschnitten.


    Keine bayrischen Verhältnisse
     

  6. Beim Vergleich der Grundschulklassen mit Bayern, die größer und angeblich laut Kultusminister leitungsfähiger sein sollen als saarländische, ist festzustellen, dass Bayern das selektivste Schulsystem Deutschlands besitzt (Ergebnis von PISA E). Das heißt, in Bayern ist es rund acht mal schwieriger nach der Grundschule auf ein Gymnasium zu wechseln als in anderen Bundesländern. Zudem hat Bayern im Bundesländervergleich die höchste Hauptschulabschlussquote und geringste Abiturientenquote aller Bundesländer in Deutschland. Eine Grundschule als möglichst frühe Sortieranstalt wollen wir im Saarland nicht. Statt dessen brauchen die Lehrer/innen mehr Fördermöglichkeiten und mehr Zeit in der Schule, um sich möglichst optimal um jedes Kind kümmern zu können. Das geht am besten in kleinen Klassen und echten Ganztagsschulen mit einer konzeptionellen Verzahnung von Vor- und Nachmittag und mit zusätzlichem pädagogisch ausgebildeten Personal. Auch hier hat das Saarland erheblichen Nachholbedarf und liegt im Ländervergleich der Ganztagsschulen im letzten Drittel der Bundesländer.


    „Qualitätsverbesserung“: Verschlechterung der Schüler – Lehrer - Relation
     

  7. Durch den Wegfall von Planstellen, die Streichung von Förderunden und Stunden für Arbeitsgemeinschaften werden die Möglichkeiten der individuellen Förderung der Kinder geringer. Durch die Zusammenlegung von Schulen verschlechtert sich zudem die Schüler – Lehrer – Relation (Anzahl der Schüler/innen pro Lehrer/in), d. h. die von den Lehrkräfte zu betreuende Zahl der Kinder wird größer, was wiederum die Intensität von Bildung, Betreuung und Erziehung einzelner Schüler/innen einschränkt. In dem Zusammenhang von Qualitätsverbesserungen nach Grundschulschließungen zu sprechen, wie es Kultusminister Jürgen Schreier es tut, ist lächerlich.

    Wenngleich die saarländischen Grundschulen schon bei der durchschnittlichen Klassengröße im Bundesländervergleich einen bislang einen oberen fünften Rangplatz einnehmen ( Alle anderen saarländischen Schulformen liegen letzten bzw. vorletzten Plätzen, also als einzige Schulform einigermaßen gut dastehen), so liegen sie beim Vergleich der Schüler – Lehrer – Relation nur auf einem hinteren Rangplatz (Rang 10 von 16). Die Politik der Grundschulschließung verschlechtert beide Werte und damit ebenso die bisherige Qualität der saarländischen Grundschulen.

    Nach Berechnungen der Arbeitskammer des Saarlandes verschlechtert sich die „Betreuungsintensität“ (Schüler pro Lehrer) auch nach einer Erhöhung der Schülerwochenzahl auf 100 Stunden durch die Zusammenlegung von Schulklassen um 5,2% gegenüber dem bisherigen Wert.


    Kleine Grundschulen und Kombiklassen sind erfolgreich
     

  8. Die Schulschließungsdiskussion richtet den Blick in mehrfacher Hinsicht auf die kleinen Grundschulen im Land. Einerseits wird deren schulische Arbeit allein dadurch herab gewürdigt, dass man seitens der verantwortlichen Politik keine pädagogisch geleiteten Erhaltungsüberlegungen anstellt, sondern ausnahmslos ökonomisch argumentiert, d. h. Schulschließungen werden aus Wirtschaftlichkeitsberechnungen heraus vorgenommen. Die Methode, nach der dabei vorgegangen wird, ist durch die Vorgabe der Zweizügigkeit eine rein rechnerische. Es werden Kinder und Klassen pro Jahrgang gezählt, Räume vermessen und berechnet, Geburten hochgerechnet und prognostiziert, Schulbezirke neu geschnitten und Fahrkilometer addiert, all dies um die Schulschließungen methodisch sicher zu machen. Das Ergebnis ist eine Schulschließungswelle nach der Rasenmähermethode.

    Erhaltungsüberlegungen werden von vorne herein ausgeschlossen. Die gute Arbeit in der kleinen Grundschule und deren Leistungsfähigkeit findet keine Beachtung mehr. Besondere pädagogische Profile, von der Migrantenförderung und der Integration von Behinderten über die Begabtenförderung bis zur konzeptionellen und pädagogischen Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule in der Gemeinde bleiben unberücksichtigt. Im Gegenteil, die Arbeit der kleinen Grundschulen wird diskriminiert, hier herrschen laut Peter Hans (CDU – Fraktionsvorsitzender im Landtag des Saarlandes) „paradiesische Verhältnisse“ (gesagt auf der Demo am 26.01.05), die sich das Saarland nicht weiter leisten kann. Wenn allein die Verhältnisse „paradiesisch“ wären, bräuchte der Kultusminister nicht von notwendigen Qualitätsverbesserungen zu reden.

    Hinzu kommt die Diskriminierung von jahrgangsübergreifendem Unterricht durch die CDU – Bildungsexpertin Gisela Rink, wonach so genannte Kombiklassen eine „intensive und fördernde Unterrichtung“ erschweren und die „Verlässlichkeit des Unterrichtes“ in Frage stellen würden. (Pressemitteilung vom 18.02.05).

    Ein Blick in andere Bundesländer zeigt, dass kleine Grundschulen und Kombiklassen eine sinnvolle pädagogische Antwort zum Erhalt von Schulstandorten sind. In Brandenburg ist ein Modellversuch „Kleine Grundschule“ vom Pädagogischen Landesinstitut durchgeführt worden. Dabei haben Wissenschaftler festgestellt, dass Kleine Grundschulen leistungsfähige Schulen sind, die nicht nur eine hohes Maß an Qualität aufweisen, sondern ebenso Akzeptanz und Unterstützung durch die Eltern erfahren. Auch im Saarland gibt an einigen wenigen Standorten Grundschulen mit Kombiklassen, die gute Arbeit leisten. Die derzeit aufkommende Kritik an den Kombiklassen würdigt die dort geleistete pädagogisch erfolgreiche Arbeit in unzulässiger Weise herab. Die Stoßrichtung der Kritik geht gegen den Gesetzentwurf der Initiatoren des Bürgerbegehrens, ab einer Klassengröße von weniger als 13 Kindern, auch Kombiklassen zuzulassen. Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass dieser Vorschlag auch einen Beitrag zur Kostensenkung gegenüber der jetzigen Situation beinhaltet.


    Kostenverlagerung auf Städte und Gemeinden
     

  9. Die Grundschulschließungen belasten auch die Städte und Gemeinden des Saarlandes in finanzieller, kultureller und siedlungsstruktureller Hinsicht. Durch die Schulschließungen werden die Kommunen gezwungen, die Schülertransporte zu organisieren und zu finanzieren. Dies führt zu erheblichen Mehrbelastungen auf kommunaler Ebene, die auch vom saarländischen Städte- und Gemeindetag nicht akzeptiert werden. Eine entsprechende Ablehnung der Schulschließungspläne der Landesregierung liegt durch einen mehrheitlich getroffenen Beschluss vor. Laut Berechnungen des Städte- und Gemeindetages werden die Schülertransporte, ganz abgesehen von den Unterhaltungskosten eines leer stehenden Schulgebäudes mehrere Millionen Euro betragen. Insofern relativiert sich das Kosteneinsparungsargument der Landesregierung, die 10 Mio Euro einsparen will. Fest seht, dass sich das Land nicht an den von ihm selbst eingeforderten Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ hält.
    Im Verhältnis zum Gesamtschuldenstand des Saarlandes sind die kalkulierten Einsparungen durch die Grundschulschließungen ohnehin zu vernachlässigen. Sie bewegen sich im Promillebereich (o,89%). Der Haushalt des Saarlandes kann nicht dadurch gerettet werden, dass man die Bildungsqualität und die Bildungschancen unserer Kinder verschlechtert und die Zukunft einer ganzen Schülergeneration aufs Spiel setzt. Kinder sind keine Kosten stellen, Sparen an der Bildung ist dummes Sparen.

    Absurd werden die Schulschließungen dann, wenn ein Schulgebäude geschlossen werden soll, das gerade vom Schulträger mit erheblichen Kosten modernisiert oder gar ausgebaut worden ist, um die schulische Situation vor Ort zu verbessern. Es stellt sich an der Stelle auch die Frage, inwiefern bauliche Maßnahmen aus dem Bundesprogramm „Ganztagsschulen“ (IZBB) finanziert worden sind, die nach einer Schulschließung wieder zurückgezahlt werden müssen. In solchen Fällen wäre der Landesregierung eine Täuschung des Bundes und ein Missbrauch der Bundesmittel, die im Übrigen auch Steuergelder sind, vorzuwerfen.


    Verödung der dörflichen Kerne
     

  10. Abgesehen von den Kosten hat eine Schulschließung für eine Kommune noch andere Nachteile. Grundschulen sind häufig Mittelpunkt des Ortes , kulturelles Zentrum und eine Treffpunkt für Eltern und Vereine, die auch am Nachmittag in der Schule Aktivitäten entfalten. Für manch eine junge Familie war gerade die Schule vor Ort ein Ansiedlungs- und Familienplanungsargument. Der Wegfall einer Schule im Ort beschleunigt die Verödung der kommunalen Kerne, ebenso die der negativen demografischen Entwicklung. Eigentlich will doch Umweltminister Stefan Mörsdorf dieser Entwicklung durch eine Politik der Stärkung der dörflichen Kerne entgegenwirken. Fehlt eine Grundschule im Ort, wird es zukünftig weniger junge Familien geben, die sich dort niederlassen, sie werden dorthin gehen, wo es noch eine gute schulische Infrastruktur gibt. Das heißt , die Schulschließungspläne sind nicht nur pädagogisch zu kritisieren, sondern auch in siedlungspolitischer Hinsicht ein Irrweg. Kleine Kinder brauchen kurze Wege zu ihrer Grundschule, in der sie Verlässlichkeit und Vertrauen, Freunde und Geborgenheit finden. Eltern wollen für ihre Kinder das beste schulische Bildungsangebot, mit einer optimalen Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Kinder. Dabei sollen sich die Kinder wohl fühlen, Leistung und Persönlichkeit entwickeln, soziales Verhalten erlernen und Kreativität entfalten können. Eltern wollen eine wohnortnahe Schule, in die die Kinder gerne gehen und die für sie eine Heimat im Ort ist. Ein allmorgendlicher Bustransport zu einer Grundschule außerhalb des Wohnortes bringt zudem Probleme im Bereich der Sicherheit, der Busaufsicht, der Organisation eines Sammeltransportes und nicht zuletzt des früheren Aufstehens für Kinder und Eltern mit sich . Auch der Hinweis auf die Siedlungsdichte im Saarland und die geringe Kilometerzahl bei einem Schülertransport kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Sammeln von Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Orten zu einer länger andauernden Busfahrt führt als es kilometermäßig den ersten Anschein hat.


    Kooperation Grundschule - Kindergarten
     

  11. Die GEW leugnet nicht die demografische Entwicklung und darauf erforderliche Reaktionen seitens der Politik. Es stellt sich nur die Frage, ob es gerechtfertigt ist, gerade an der Stelle zu sparen, wo die Zukunft eines Landes liegt, bei den Kindern und in der Bildung. Laut OECD Bericht („Bildung auf einen Blick 2004) geben andere Länder mehr Geld für Bildung aus als Deutschland, zudem stellen diese Länder, die allesamt bei PISA besser abgeschnitten haben als wir, für das Fundament der Bildung, die Grundschule, mehr Mittel zur Verfügung als für die Sekundarstufe II. In allen europäischen Ländern gibt es ein ausgebautes Ganztagsschulsystem und frühkindliche Bildungseinrichtungen vor der Schule, die qualitativ hochwertig sind. Gerade im Bereich der Vorschule hat das Saarland Nachholbedarf, insbesondere in der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Die aktuellen Grundschulschließungen betreffen auch die Arbeit der Kindergärten im Saarland, die häufig sehr gut mit den Grundschulen kooperieren. Fehlt künftig eine Grundschule im Ort, werden auch perspektivisch die Anmeldungen für die Kindergärten zurückgehen und deren Bestand gefährdet sein. Dabei bietet gerade die Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule die Chance, Schulen vor Ort neu auszurichten und als pädagogische Einheit von frühkindlicher und schulischer Bildung zu verzahnen. Frühkindliche Sprach- und Begabtenförderung, Migrantenintegration, das Fremdsprachenlernen, gemeinsame Projekte, eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Erzieherinnen und Grundschullehrerkräften sowie eine flexible Schuleingangsphase bilden eine gute Grundlage für eine qualitative, zukunftsfähige Erhaltung von Schulstandorten auch in einer Zeit mit rückläufigen Geburtenraten. Der negativen demografischen Entwicklung kann im Übrigen nur entgegen gewirkt werden durch bessere und zukunftssichere Rahmenbedingungen für Familie, Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die anderen europäischen Länder sind uns da meilenweit voraus. Die Grundschulschließungen im Saarland sind auch in familienpolitischer Hinsicht ein falscher Weg.


    Damals und heute
     

  12. „Wenn Grundschulen bleiben sollen, dann heißt das für die Eltern, es handelt sich um eine eigenständige Schule, es handelt sich um eine Schule im herkömmlichen Sinne mit einem eigenen Schulleiter, mit einem eigenen Kollegium, mit einer eigenen Elternvertretung, eine Schule eben im landläufigen Sinne. … Unsere Vorstellung von Grundschule ist die wohnortnahe Schule, die ebenso in eine Gemeinde gehört wie ein Kindergarten. Dies zu gewährleisten, meinen Damen und Herren, müssen uns unsere Kinder wert sein.“


aus: Protokoll der 11. Wahlperiode, 23. Sitzung am 24.04.1996, Seite 1145
Rede des CDU – Abgeordneten Jürgen Schreier
 

Saarbrücken, den 20.02.05
Klaus Kessler